Vie­le Leih­ar­bei­ter ver­rich­ten ein­fa­che Hilfs­jobs. Doch es gibt auch gefrag­te Spe­zia­lis­ten. Berufs­ein­stei­ger kön­nen ers­te Erfah­run­gen sam­meln, müs­sen beim Gehalt aber Ein­bu­ßen hinnehmen.

Mit der Zeit­ar­beit Kar­rie­re machen. Manch­mal heißt es Leih­ar­beit, manch­mal heißt es Zeit­ar­beit. Das Vor­ur­teil ist aber immer das glei­che: Hilfs­jobs ohne Aus­sicht auf Kar­rie­re — sonst gibt es dort nichts. In vie­len Fäl­len trifft das tat­säch­lich zu. “Der typi­sche Leih­ar­beit­neh­mer ist männ­lich, jung und unqua­li­fi­ziert”, sagt Ilo­na Mirt­schin, Arbeits­markt­ex­per­tin der Bun­des­agen­tur für Arbeit.

In einer Stu­die hat die Agen­tur die Ent­wick­lun­gen in der Zeit­ar­beit unter­sucht. Das Ergeb­nis: Rund eine Mil­li­on Men­schen arbei­ten mitt­ler­wei­le für Zeit- oder Leih­ar­beits­fir­men. 70 Pro­zent davon sind Män­ner, und fast die Hälf­te ist jün­ger als 35 Jah­re. Anspruchs­voll ist die Arbeit in der Regel nicht: “Etwa jeder zwei­te Zeit­ar­beits­job ist eine ein­fa­che Hilfs­tä­tig­keit”, sagt Mirtschin.

Doch das ist nur die eine Sei­te der Sta­tis­tik. Denn in eini­gen Bran­chen bie­tet die Zeit­ar­beit durch­aus Kar­rie­re­chan­cen, so die Exper­tin: “Gera­de für jun­ge Leu­te kann ein Enga­ge­ment bei einer Zeit­ar­beits­fir­ma ein guter Ein­stieg in den Arbeits­markt sein.”

Die Ein­sät­ze dau­ern oft nur zwei bis drei Mona­te — für Neu­ein­stei­ger eine Mög­lich­keit, Erfah­run­gen zu sam­meln. Vie­le Berufs­an­fän­ger job­ben daher als Leih­ar­bei­ter erst ein­mal in unter­schied­li­chen Betrie­ben, um sich dann für einen zu ent­schei­den: “Zeit­ar­beit wird ger­ne genutzt, um sich auf dem Arbeits­markt zu ori­en­tie­ren”, sagt Wolf­ram Lin­ke von der IG Zeit­ar­beit, dem Inter­es­sens­ver­band deut­scher Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men. “So kann sich etwa ein aus­ge­bil­de­ter Pfle­ger umse­hen, ob er spä­ter in einer Kli­nik, einem Heim oder in der ambu­lan­ten Pfle­ge arbei­ten möchte.”

Man­che ent­schei­den sich sogar dau­er­haft für die Zeit­ar­beit, sagt Lin­ke. Gera­de in der Pfle­ge- und Medi­zin­bran­che böten sich so inter­es­san­te Ein­satz­mög­lich­kei­ten: “Wir reden hier von hoch spe­zia­li­sier­ten Kräf­ten, die in ihrem Bereich auch ein Stück weit die Prei­se diktieren.”

Sol­che For­men der Zeit­ar­beit sei­en sogar für Aka­de­mi­ker attrak­tiv. Etwa im Bereich der Luft- und Raum­fahrt: Hier lau­fen Pro­jek­te oft nur über einen begrenz­ten Zeit­raum von zwei oder drei Jah­ren. “Für die Dau­er des Pro­jekts holen sich die Unter­neh­men ger­ne Spe­zia­lis­ten an Bord”, sagt Lin­ke. Inge­nieu­re etwa kön­nen sich ihre Pro­jek­te so aus­su­chen und sich gezielt weiterbilden.

“Die Zei­ten des Lohn­dum­pings mit Hil­fe der Leih­ar­beit sind vor­bei”, sagt auch Peter Schü­ren, Jurist an der Uni­ver­si­tät Müns­ter und Exper­te für Zeit­ar­beit. Seit der Gesetz­ge­ber die dau­er­haf­te Über­las­sung von Arbeit­neh­mern ver­bo­ten hat, nut­zen Fir­men das Instru­ment vor allem, um Bedarfs­spit­zen abzu­fe­dern. Auch die Tarif­ver­trä­ge für Leih­ar­bei­ter hät­ten sich in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren deut­lich ver­bes­sert, so der Jurist.

Trotz­dem bekom­men die meis­ten Zeit­ar­bei­ter noch immer weni­ger Gehalt als die Stamm­be­leg­schaft. Doch Aus­nah­men bestä­ti­gen auch hier die Regel: “Aka­de­mi­ker im Bereich Zeit­ar­beit sind oft hoch spe­zia­li­sier­te Fach­leu­te, die auf die­se Wei­se oft deut­lich mehr ver­die­nen als in einer gewöhn­li­chen Anstel­lung”, sagt Arbeits­markt­ex­per­tin Mirtschin.

Aller­dings haben gera­de ein­mal neun Pro­zent der Leih­ar­bei­ter stu­diert. Bei vie­len Beschäf­tig­ten auf Zeit wech­seln sich statt­des­sen Jobs mit Pha­sen der Arbeits­lo­sig­keit ab. “Vie­le Zeit­ar­beit­neh­mer lan­den nach einem Ein­satz wie­der in der Grund­si­che­rung, weil sie nicht lang genug in die Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung ein­ge­zahlt haben”, erklärt Mirtschin.

Auch eine Über­nah­me durch den Ein­satz­be­trieb ist eher sel­ten. “Ein Betrieb über­nimmt, wenn über­haupt, die qua­li­fi­zier­ten Leih­ar­bei­ter, aber nicht die ein­fa­chen Hilfs­kräf­te”, so die Exper­tin. Bei den Mit­glieds­un­ter­neh­men der IG Zeit­ar­beit wer­de rund ein Drit­tel des Per­so­nals von den Ein­satz­fir­men über­nom­men, hält Ver­bands­spre­cher Lin­ke dagegen.

“Die Ver­bän­de bemü­hen sich sehr, das Schmud­del­image der Bran­che los­zu­wer­den”, sagt Schü­ren. Er emp­fiehlt Job­su­chen­den, sich die Zeit­ar­beits­fir­ma im Vor­feld genau anzu­se­hen. “Wenn es Mit­ar­bei­ter gibt, die dort schon län­ger arbei­ten und zufrie­den sind, ist das ein gutes Zeichen.”

Bei der Aus­wahl soll­te ein Arbeit­neh­mer außer­dem dar­auf ach­ten, dass die Fir­ma nach Tarif zahlt und Mit­glied in einem Arbeit­ge­ber­ver­band ist. “Wich­tig ist auch, dass sich die Zeit­ar­beits­fir­ma um die Belan­ge ihrer Mit­ar­bei­ter küm­mert”, rät Lin­ke. So soll­te ein Unter­neh­men zum Bei­spiel nicht nur Arbeits­klei­dung und Sicher­heits­schu­he stel­len, son­dern auch bei Pro­ble­men im Ein­satz­be­trieb helfen.

Damit die in der Zeit­ar­beit gesam­mel­te Berufs­er­fah­rung bei der nächs­ten Bewer­bung etwas nutzt, soll­te sie immer doku­men­tiert wer­den. “Ein Arbeits­zeug­nis ist Teil der gesetz­li­chen Pflich­ten des Arbeit­ge­bers”, sagt Schü­ren. Auch eine Zeit­ar­beits­fir­ma muss ihren Mit­ar­bei­tern also eine qua­li­fi­zier­te Beur­tei­lung schrei­ben. Der Ent­leih­be­trieb kann das auch tun — aller­dings frei­wil­lig: “Bei einem län­ge­ren Arbeits­ein­satz soll­ten Leih­ar­bei­ter ruhig auch am Ein­satz­ort um ein Arbeits­zeug­nis bitten.”

Quel­le: www.rp-online.de